»Schleef brach über das westdeutsche Theater herein wie eine Naturkatastrophe. (…) Überwältigungsästhetik, Antipsychologismus, Chormassen, Rhythmus, Sinnenrausch, Rituale, quälende und ungeschützte Erfahrung«, so Wolfgang Behrens in seinem Einar-Schleef-Buch (Theater der Zeit, 2003). Mütter war die erste Inszenierung Einar Schleefs am Schauspiel Frankfurt, wo ihm Günter Rühle zu sechs Produktionen verhalf. Einar Schleef hielt diese für seine beste, die Kritik verriss sie einhellig. Ein Ereignis ist in dieser Antiken-Überschreibung auch die Sprache: poetisch, aufs Wesentliche verknappt, rhythmisch, eindringlich, prägnant. Oder, wie Hans-Ulrich Müller-Schwefe den Zugriff im Programmheft der Uraufführungsinszenierung beschreibt: »Hohe und niedrige Sprache, Sprache des 19. Jahrhunderts und Sprache von heute (…).«

Aischylos’ Sieben gegen Theben (UA 467 v. Chr.) und Die bittflehenden Mütter des Euripides (UA 420 v. Chr.) erscheinen in diesem Stück in zeitlich umgekehrter Reihenfolge. Der Krieg ist verloren für die Mütter von Argos, nicht nur den Krieg, auch ihre Kinder haben sie verloren, die Ödipus-Stadt Theben verweigert die Herausgabe der Leichen der gefallenen Söhne. Sie erbitten die Hilfe von Theseus, König von Athen, und werden von Theseus’ Mutter in ihrem Anliegen unterstützt. Erst ein Feldzug Theseus‘ gegen Theben (er verschont die Stadt) ermöglicht die Bestattung der jungen Männer und die Übergabe der Urnen an deren Söhne. Für einen Moment ist Frieden denkbar. Allerdings werden die Mütter zu Kriegstreiberinnen, sie schwören, unterstützt durch die Göttin Athene, auf einen zukünftigen Krieg ein, der mit Thebens Vernichtung enden soll. Erst im zweiten Teil des Stückes wird die Vorgeschichte erzählt: der Kampf von Argos gegen die Stadt Theben. Die Mädchen der Stadt sind die Erzählerinnen des Geschehens, im Wechsel mit dem Boten und Eteokles, König von Theben. Ihre Angst wird spürbar, in der sie die Hilfe der Götter erflehen, das bedrohliche Vorrücken der Kämpfer aus Argos gegen die sieben Tore der Stadt. Am Schluss sterben Eteokles und sein Bruder Polyneikes am siebten Tor im Zweikampf. Der Fluch über die Söhne von Ödipus hat sich erfüllt. Während Eteokles ein Staatsbegräbnis erhalten soll, wird dem Bruder ein Begräbnis verweigert. Ismene und Antigone, Schwestern der beiden Gefallenen, verhalten sich unterschiedlich dazu. Während Ismene das Urteil akzeptiert, stellt sich Antigone dagegen. Es ist die prägnante Fabel, die eindringliche Sprache, das Betonen von familiärem Leid, das diese Überschreibung so beeindruckend macht.