
Ein von Schatten begrenzter Raum
Nach dem Putsch 1971 hält das Militär nicht nur das Leben, sondern auch die Träume der Menschen in der Türkei gefangen. Künstlerinnen und Künstler, Linke, Intellektuelle fürchten um ihre Existenz; auch die Erzählerin, die aus Istanbul übers Meer nach Europa flieht. Im Gepäck: der Wunsch, Schauspielerin zu werden, und das unbedingte Verlangen, den so jäh gekappten kulturellen Reichtum ihres Landes andernorts bekannt zu machen und lebendig zu halten, ohne sich im »Tiergarten der Sprachen« auf die bloße Herkunft beschränken zu lassen. Und dort, inmitten des geteilten Berlin, auf den Boulevards von Paris, im Zwiegespräch mit bewunderten Dichtern und Denkern, findet sie sich schließlich wieder in der »Pause der Hölle«, in der Kunst, Politik und Leben uneingeschränkt vereinbar scheinen.
Emine Sevgi Özdamars neuer Roman ist das vielstimmige Loblied auf ein Nachkriegseuropa, in dem es für kurze Zeit möglich schien, allein mit den Mitteln der Poesie Grenzen einzureißen. Er ist der sehnsuchtsvolle Nachruf auf die Freunde, Künstler, Bekanntschaften, die sie auf ihrem Weg begleiteten. Vor allem aber ist er die wortgewaltige Eröffnung eines Raums zwischen Bedrohung und Geborgenheit, eines von Schatten begrenzten Raums.
UA: Schauspiel Köln, 8.5.2024
Regie: Nuran David Calis
»Wer nach einem Grundmotiv dieser so leichten und gleichzeitig bildungssatten Prosa sucht, dürfte sie in der Reflexion über Form, über Sprache finden.« Die Zeit
»›Ein von Schatten begrenzter Raum‹ ist in der radikalen Subjektivität, mit der da über die Türkei, Berlin und vor allem Paris in den siebziger und achtziger Jahren erzählt wird, unbequem, weil er weder sprachliche noch thematische Rücksichtnahme kennt. Aber genau darin bildet er jene Zeit und deren Theaterpraxis, um die sich viel dreht, perfekt ab.« FAZ
»… nicht nur eine fulminante Lebensbilanz, sondern auch ein großartiges, vielstimmiges, Maßstäbe setzendes literarisches Kunstwerk, ein Buch voller Mythen, Märchen, Geschichten und Politik.« Der Tagesspiegel
»… es ist die Mündlichkeit des Theaters. Es geht um Artistik. Wir bewegen uns in Özdamars Romanen auf einer Bühne. Einer sehr großen Bühne, ein Welttheater, das alles umfassen kann: Ereignisse, Träume, Gedanken, Gespräche, Theorien.« SWR